Bischof Dr. Pohjola: Grundsatzrede vor seiner konsekration am 31. juli 2021 in Loimaa, Finnland

Nachrichten
31.7.2021

Finnische evangelisch-lutherische Missionsdiözese

Bischof Dr. Juhana Pohjola

Er hatte lange isoliert gelebt. Er hatte nur wenige Menschen getroffen. Er hatte sich daran gewöhnt, Fernkontakte zu pflegen.

So schreibt er: ”Gott ist mein Zeuge, wie mich nach euch allen verlangt von Herzensgrund in Christus Jesus.” (Phil. 1, 8)

Kennst du das, worüber der Apostel hier schreibt? Der hl. Paulus wurde in Rom in der Gefangenschaft gehalten und schrieb an die Gemeinde in Philipp. Nicht nur die fehlende Bewegungsfreiheit, sondern auch die soziale Isolation fiel ihm im Gefängnis schwer. Viel Zeit verbrachte er alleine. Er verlangte nach bekannten Gesichtern der Gemeindeglieder. Er wollte ihre Stimmen hören und seine segnenden Hände auf sie legen.

Und wie habe ich nach unserem gemeinsamen Fest gesehnt! Wie freue ich mich, nicht nur leere Bänke, ein Kameraobjektiv oder einen Computerbildschirm, sondern eure Gesichter vor mir zu sehen! Die Corona-Zeiten haben uns konkret daran erinnert, dass es im Christentum nicht nur um Gedanken, um Ideen oder um im Gehirn verborgene geistliche Gleichungen geht.

Was ist aber dann der Kern des Philipperbriefes? ”Er … entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich.”? (Phil. 2)

Der Apostel, der in der Einsamkeit lebte, bekannte, dass Gottes Sohn Mensch geworden war. Obwohl unser Herr gegenüber seinem Geschöpf steht, besteht kein Fernkontakt zwischen ihm und uns. Er ist lebendig anwesend da, wo wir sind.

Wenn also der Sohn Gottes Mensch wurde, hätten nicht auch wir die Erlaubnis, Menschen zu sein, die sehen, hören und fühlen – Menschen, die danach sehnen, die Familie und das Freundeskreis zu sehen und mitten in der Gemeindefamilie und unter Geschwistern im Glauben zu leben!

Die kirchliche Kontinuität als Teilhabe am Evangelium

Was alles hat dem hl. Paulus in seiner Gefangenschaft in Rom Sorgen gebracht? Er hat nicht nur nach der erlebten Glaubensgemeinschaft gesehnt, sondern es ging ihm um das Wohl der Kirche: Der alte Paulus blickt schon auf seinen Tod und trägt nur eines in seinem Herzen und in seinen Gebeten vor Gott: die Fortsetzung des Lebens der Kirche.

Darum schreibt er an die Philipper wie an uns heute: ”Ich danke meinem Gott, sooft ich euer gedenke … für eure Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an bis heute; und ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.” (Phil. 1)

Hörtest du: Vom ersten Tag bis an den Tag Christi, d.h. an den Tag seines Wiederkommens! Dies bedeutet das lange Kontinuum der Kirche!

Wovon reden aber wir, wenn wir sagen: um der Fortsetzung des Lebens der Kirche willen? – Wir reden vom Kontinuum des Evangeliums. Das ist das Kontinuum der Kirche! Ihr seid des Evangeliums teilhaftig. Dies ist das Größte im Leben und das Wichtigste im Tod!

Während unseres Familienurlaubes im schönen Spanien besuchten wir ein Dorf, das zum schönsten von allen schönen spanischen Dörfern gewählt worden war. Weiße niedrige Häuser auf dem grünen und sonnigen Berghang, Pittoreske Gässchen, verlockende Cafés, interessante Boutiquen und eine lockere mediterrane Stimmung – dies alles wurde uns angeboten. Ich habe aber anders gewählt. Ich hatte eine schlechte Nacht hinter mir. Ich war müde und erschöpft. Daher beschloss ich, im Auto zu bleiben und dort zu schlafen.

Im dunklen Parkhaus war ich schon dabei, einzuschlafen, als in der selben Parkreihe in einem Auto die Alarmanlage Alarm schlug.

Als ich diesem infernalischen Geheul zuhörte und auf die graue Betonwand in der Dunkelheit schaute, dachte ich mir: ”Soll dies der ersehnte Traumurlaub sein, dafür lange gespart wurde?”

Auch die besten Sachen dieser Welt können einen nicht befriedigen, wenn das Innere unruhig und vom Nebel umhüllt ist. Sogar die wunderbarsten Dinge können unser Verlangen nicht sättigen, wenn es im eigenen Herz dunkel und eng ist.

Das Evangelium ist aber keine Wohlfühlnachricht und keine Selbstanerkennungsbotschaft. Beim Evangelium geht es um die brennende Liebe Christi und um seine sich selbst gebende Liebe zu dir. Wie Paulus es verkündigte, ”er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.” (Phil. 2, 8) Sein Gehorsam unterbindet die zerstörerischen Kräfte der Finsternis. Sein Kreuz bringt Leben dahin, wo man glaubt, der Tod hätte das letzte Wort. Seines Blutes Gnade erreicht auch einen Menschen, der sich selbst aufgegeben hat und wo keine Hoffnung mehr besteht.

Statt eines Generationentraumes haben wir die Ewigkeitshoffnung! Christus wird auch uns aus dem Staub in seine Herrlichkeit aufheben. Dies ist der Kern des Evangeliums.

Der Hl. Paulus erinnert die Philipper daran, dass sie Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an hatten. Bei einer Gruppenreise der Missionsdiözese haben wir die Ruinen von Philipp besucht. Es war eindrucksvoll, auf der Stelle zu stehen, wo die erste christliche Gemeinde in Europa entstand. Ich habe meine Hand ins Wasser des Baches gesteckt, in dem Lydia einst getauft wurde.

Ja – der erste Tag der Teilhabe am Evangelium fängt immer mit dem Wasser der heiligen Taufe an! Der hl. Paulus erwähnt aber auch einen anderen Tag, der dem Christen wichtig ist: ”Er wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.”

Wir sind unterwegs zum letzten Tag, zum Tag Christi. Vor unseren Augen ist der große Tag der Rechenschaft. Um Bereit zu sein, unserem Herrn zu begegnen, haben wir neben dem Tag unserer Taufe und dem letzten Tag aber noch einen wichtigen Tag.

Was ist dieser Tag? Der hl. Paulus erzählt es dir: ”Bis heute.”

Hörst du: der dritte wichtige Tag in deinem Leben ist dieser Tag, den wir jetzt leben, weil heute der Tag des Heils ist! Vom morgigen Tag wissen wir nichts, aber heute ist die willkommene Zeit! Heute sagt der Herr Christus zu dir: ”Du bist mein und ich bin dein!”

Dies ist das Kontinuum der Kirche. Die Kirche lehrt und verkündigt dasselbe Evangelium von der Gnade in Christus, das Lydia in Philipp und die Gefängnisaufseher in Rom hörten. Die Kirche hat ihre Kontinuität in den Gnadenmitteln, die im Gottesdienst der Gemeinde, in der heiligen Messe, ordentlich verwaltet werden.

Es wird  heute mit derselben Taufe getauft, mit welcher die Familie des Gefängnisaufsehers in Philipp mitsamt den kleinsten Kindern getauft wurde, und aus unserer Taufe folgt dasselbe neue Leben, zu dessen Gemeinschaft sie damals angenommen wurden. Es wird aus demselben Kelch des Heils in Philipp und in Loimaa getrunken.

Die Kontinuität der Kirche besteht auch in der Kontinuität des gläubigen Volkes und des Amtes des Evangeliums. Der hl. Paulus schreibt: ”Allen Heiligen in Christo Jesu zu Philippi samt den Bischöfen und Dienern.” (Phil. 1, 1)

Also wozu ist die Missionsdiözese da? – Um dieser Kontinuität der Kirche willen, damit wir in unseren Gemeinden die Teilhabe – auf Griechisch ”koinonia” – am Christi Evangelium hätten! Wegen dieser Kontinuität beten wir, dass wir auch unsere Kinder in dieser Teilhabe groß ziehen dürfen. Wegen der Kontinuität Kirche wollen wir, wie der hl. Paulus sagt, am Wort des Lebens festhalten und es weiter anbieten, um immer neue Menschen zu dieser Teilhabe am Evangelium einzuladen.

Es ist eindrucksvoll in unseren Gemeinden immer wieder einem Menschen mal hier, mal dort zu begegnen, den Gott neulich angehalten und zu sich gezogen hat. Wir sollen, liebe Freunde, sehen, dass der Herr noch viel Ernte auf den Feldern unseres Vaterlandes hat!

Bereit zur Zusammenarbeit

An dieser Stelle will ich drei aktuelle Themen, denen wir als Kirche begegnen, hervorheben:

Erstens fragen wir, ob wir denken, alleine in Finnland die Kontinuität der Kirche Christi gewährzuleisten. Darauf fällt es mir leicht zu antworten: keineswegs.

Das wahre Evangelium wird – Gott sei Dank – auch in anderen Gemeinden gepredigt, und nicht nur bei uns werden die Taufe, das Abendmahl und die Beichte durch das Hirtenamt verwaltet. Andererseits aber sind unsere Gemeinden und unsere Kirche just in der Situation entstanden, da es nicht mehr möglich war, innerhalb der Finnischen Evangelisch-lutherischen Kirche mit gutem Gewissen und ohne Beschränkungen die Kontinuität der Kirche in unserem Gemeindealltag umzusetzen. Die Kirche unserer Väter und Mütter steht nicht mehr auf dem Grund ihrer eigener Bekenntnis und hat diejenigen, die dies versucht haben, so gut wie aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen.

Doch obwohl die Missionsdiözese uns lieb und teuer ist und obwohl die Traditionen, die bei uns schon entstehen, immer wichtiger für uns werden, geht es uns dennoch immer um die Kontinuität der Kirche Christi in Finnland. Unsere größte und wichtigste Frage ist, wie und wo der apostolische Glaube und das von ihm bestimmte Gemeindeleben nach wie vor in Finnland zu finden sind.

Und ich weiß, dass dies nicht nur unsere Frage ist, sondern sie wird auch in vielen Häusern und in vielen christlichen Bewegungen gestellt, die mindestens bis heute Lebensraum in der Finnischen Ev.-luth. Kirche gefunden haben oder die Lage schon von außen her betrachten. Ein jeder muss aber seine Entscheidung in aller Ruhe und in großer Freiheit treffen. Zugleich muss man verstehen, dass die historisch bedingten Ressourcen und Privilegien immer auch etwas kosten und dass sie auch nicht für die Kontinuität der Kirche notwendig und manchmal ihr sogar schädlich sind.

Auch muss man sehen, dass auch die besten Aktivitäten, geistlich ernährenden und begeisternden Veranstaltungen kein Ersatz für eine christliche Gemeinde sein können. Auf den Ruinen der Volkskirche hat mich der Gedanke verwundert, dass es gar nicht nötig sei, zu irgendeiner Gemeinde zu gehören. Es reiche, wenn man die Veranstaltungen der geistlichen Bewegungen besuche!

So zu denken und zu handeln ist nicht biblisch und daher auch nicht lutherisch. Ein jeder Christ sollte den Gottesdienst als Lebensquelle, die Gemeinde auf der Basis der heiligen Taufe als Zuhause, den eigenen Hirten als Stütze und die Kirchengliedschaft aufgrund derselben Lehre haben. Die Kontinuität der Kirche und ihre Gliedschaft können nicht unsichtbar sein, sondern sie bestehen aus konkretem Gemeindeleben in der Teilhabe an den Gnadenmitteln.

Vielleicht kann daher schon unser Dasein als Kirche ermutigend sein: Auch ohne Vorteile der Zugehörigkeit zur ”großen Kirche” können die Gemeinden sehr wohl leben und ihre Arbeit gut gedeihen. Außerdem will ich sagen, dass wir – wenn man mit uns reden will – immer bereit sind, die Gemeinschaft mit denen anzustreben, die aufgrund des Wortes Gottes die Kirche Christi bauen wollen.

Ebenso wollen wir gute Beziehungen auch mit den Christen haben, die unser Bekenntnis mit uns nicht teilen. Wir wollen zusammen ein gemeinsames Zeugnis z.B. in Fragen der Religionsfreiheit und der Unantastbarkeit des Lebens geben. Denn der Druck gegen die Christen steigt, was hoffentlich zur wachsenden Zusammenarbeit unter Christen bei den Angelegenheiten führt, in denen wir einig sind.

Die herausgeforderte Religions- und Redefreiheit

Als den zweiten Punkt hebe ich hier die Position der Missionsdiözese in unserem rasch wandelnden Vaterland. Lange ging es um den Kirchenkampf, der innerhalb der Finnischen Evangelis-lutherischen Kirche begangen wurde. Es wurde gefragt, ob es möglich war, den lutherischen Glauben bekennend und mit der apostolischen Amtsauffassung innerhalb der Kirche zu leben und zu arbeiten. Und als es sowohl grundsätzlich als auch praktisch unmöglich wurde, fand die Kirche unserer Väter und Mütter ihre Kontinuität in der Missionsdiözese.

Jetzt ist die Frage aber schon, ob es im Staat Finnland überhaupt mehr erlaubt ist, die biblische Anthropologie und die christliche Ehe- und Sexualmoral zu lehren, ohne Furcht, dafür bestraft zu werden.

Im Sommer vor zwei Jahren sprach ich mit unserem Bischof Risto Soramies, und wir waren zusammen darüber besorgt, dass sie wegen der Veröffentlichung ihrer Tweet-Nachricht mit einem Bibelzitat in Bezug auf die „Pride-Parade“ und auf die Teilnahme der Finnischen evangelisch-lutherischen Kirche daran allein unter Druck geriet. Ratlos dachten wir nach, wie wir ihr in dieser Sache hätten unterstützen können.

Wir wussten aber nicht, was der Herr schon für uns geplant hatte. Denn gleichzeitig und ohne, dass ich davon gewusst hätte, wurde das von Päivi Räsänen geschriebene Traktat ”Er schuf sie als Mann und Weib” vom Jahr 2004 polizeilich von der Kriminalpolizei untersucht. Die Generalstaatsanwältin hatte den Fall gegen die Entscheidung der Polizeibehörde zuerst zu einer Voruntersuchung und letztlich zum Landgericht gebracht. In meinen ersten Monaten als Bischof im Herbst 2021 muss ich als Chefredakteur eine Anklage wegen Volksverhetzung im Landgericht Helsinki hören.

Es ist aber erstaunlich gewesen, dass wir nicht nur von Christen über Konfessionsgrenzen, sondern auch von vielen Nichtchristen Unterstützung erhalten haben und ermutigt worden sind. Ebenfalls ermutigend ist es gewesen, dass der Fall überall in der Welt wahrgenommen wurde. So beten für uns Kirchenleiter von mehr als vierzig Kirchen und von fünf Kontinenten und appellieren an die finnischen Behörden in der just erschienenen Aufforderung des Internationalen Lutherischen Rates (ILC) .

Der hl. Paulus, der im Gefängnis saß und letztendlich exekutiert wurde, schreibt an die ebenfalls in Verfolgungen erprobten Gemeindeglieder in Philipp: ”Euch ist es gegeben um Christi willen, nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch um seinetwillen zu leiden, habt ihr doch denselben Kampf, den ihr an mir gesehen habt.” (Phil. 1:29-30)

Hörst du, was er da sagt – dass es nicht um Missgeschick oder gar um eine himmlische Züchtigung geht, wenn man wegen des Wortes Gottes Gegenwind erleben muss. ”Euch ist es gegeben!” Es wurde euch geschenkt, wie die alte finnische Bibelübersetzung es ausspricht. Denn nicht nur der Glaube an Christus, sondern auch der Kampf und das Leiden gehören zum Kontinuum der Kirche. Darum ist nach unserem Lehrmeister Martin Luther das ”Tragen des heiligen Kreuzes” das siebte Kennzeichen der Kirche.

Trotzdem stehe ich hier vor ihnen nicht, um ”Opferkapital” zu versammeln. Mir geht es gut. Auch wenn ich verurteilt werden würde, schaffen wir es schon.

Viel größer ist meine Sorge darüber, ob viele, die vor Gott wegen dieser Probleme zu kämpfen haben, denken würden, das sie keinen Platz in unseren Gemeinden hätten. Auch das bringt mir Sorgen, dass diejenigen, die anders über diese Frage denken als wir, glauben, dass wir Christen voll von Hass seien und nicht alle Menschen für gleichwertig hielten. Aber noch besorgniserregender ist es, wenn Angst und Selbstzensur die Herzen auch der Christen erfüllen  und dass unser Vaterland ideologisch immer engstirniger wird.

Am 26. April 1986 gab es eine Explosion im Kernkraftwerk von Tschernobyl. Die radioaktiven Niederschläge erreichten auch Finnland. Ich war damals ein Teenager und erinnere mich an dieses finstere Ereignis aus der Sowjetzeit.

Im vergangenen Frühjahr wurde an dieses Unglück vor 35 Jahren erinnert, wie man anfangs versuchte, die Explosion, ihre Gründe und Schwere, geheim zu halten. Aber die Geigerzähler waren unbestechlich. Das Geheimnis wurde Stück für Stück gelüftet.

Ich habe mir eine Dramaserie über Tschernobyl angeschaut. Danach soll ein russischer, wegen Bestrahlung getöteter Kernphysiker, gesagt haben: ”Jede Lüge, die wir erzählen, vermehrt die Last, die wir der Wahrheit schulden. Früher oder später muss diese Schuld beglichen werden.”

Nur gab es in den westlichen Ländern aber keine einmalige Explosion, sondern vielmehr ein vom Jahrzehnte langen Kulturbruch verursachtes Leck, das überall in der Gesellschaft ihre giftige Strahlung verbreitet: in der Medienlandschaft, in den Betrieben, in Schulen und in Universitäten, in den staatlichen Behörden, im Sportwesen und in den Kirchen. Da geht es um das Wert des ungeborenen Lebens, um das Recht der Kinder an Vater und Mutter, um die gegebene biologische Beschaffenheit des Menschen als Mann und Frau, um die von Gott eingesetzte Ehe und um die Familie als Grundpfeiler der Gesellschaft.

Jetzt wird es uns auf einmal klar, was diese Bestrahlung bewirkt. Wo immer man das christliche Menschenbild oder die christliche Auffassung von der Ehe öffentlich vertritt, fängt sofort das alarmierende Empörungspiepsen an. Die Gesichter der verärgerten Menschen leuchten in allen  Farben des Regenbogens, obwohl die hehre Absicht ist, die eigene Aufgeschlossenheit durch das Niederdrücken der sog. Intoleranten zu demonstrieren.

Wir sehen, wie die guten Gaben und Ordnungen Gottes durch unsere radikal individualistische und hedonistische Kultur beiseitegeschoben werden. Sicherlich steckt dahinten auch, der These von Francis Fukuyama gemäß, der Wunsch der in vielerlei Hinsicht Diskriminierten, gesehen, in der Gesellschaft geschätzt und akzeptiert zu werden. Dennoch, wenn dies zu einem Aufstand gegen die in der Ehe sichtbar werdende Schöpfungsordnung, gegen biologische Fakten und gegen das natürliche Gesetzt führt, geht es nicht nur um eine antichristliche, sondern auch um eine anti-menschliche Bewegung.

Als deren Folge haben wir Jugendliche, die nach dem Vater oder nach der Mutter sehnen, in Identitätsgruppen geteilte Gesellschaften, die sich im Abbau befinden, und zerschnittene Lebensläufe auf Kosten der das eigene Geschlecht „korrigierenden“ Jugend. Mithilfe schwammiger und ideologisch aufgeladener Begriffe, wie „Diskriminierung“, „Hassrede“ oder „Gleichberechtigung“, werden die Grundrechte Rede- und Religionsfreiheit in Frage gestellt.

In der Tat könnte der Satz ”jede Lüge, die wir erzählen, vermehrt die Last, die wir der Wahrheit schulden; früher oder später muss diese Schuld beglichen werden” die Überschrift unserer Zeit sein. Wie hoch wird wohl die Schuld sein, die die nächsten Generationen zurückzubezahlen haben?

Mitten in all dem sind die Religions- und Redefreiheit aktueller denn je. Fast erschrocken las  ich das Blog des ehemaligen Chefredakteurs der als moderat bekannten Zeitschrift „Suomen Kuvalehti“:

„Die Generalstaatsanwältin zeigt, wie man die Rede- und Religionsfreiheit niederreißt. So geht es, in kleinen Schritten, ganz wie beim Trollen oder im Hybridkrieg. Gutgemeint werden – z.B. zum Schutz der Minderheiten und gegen die Hassrede – unterschiedliche Lösungen unterbreitet, aber dadurch auch Platz für die Gedankenpolizei gemacht, die letztlich anfängt, Reden und Schriften zu zensieren. Zuerst werden Geldstrafen geteilt, dann folgen Gefängnisstrafen und letztlich werden Steine wie in den biblischen Zeiten fliegen. Diese Machtausübung muss bekämpft werden, ehe sie salonfähig wird.“ (Seurakuntalainen 4.5.2021)

In der früher erwähnten Tschernobyl-Drama wird in einer schockierenden Szene gezeigt, wie die Feuerwehrleute ohne jeden Schutz den brennenden Atommeiler zu löschen gehen. Mit einem Helm am Kopf und mit einem Wasserschlauch in der Hand nähern sie dem strahlenden Reaktor.

Zuerst müssen wir als Christen fragen, ob wir darauf vorbereitet sind, zu welcher kulturellen Reaktion wir als Feuerwehr zugeschickt worden sind. Doch letztlich geht es darum, dass derjenige, der die von Gott geschaffenen Bestimmungen mit seinen Füssen tritt, geht selber und zwar oder jeden Helm zum brennenden Feuer der Heiligkeit Gottes, und sie ist vielfach brennender als alle Kernreaktionen.

Daher sollen wir von derselben Liebe umfangen sein, die den hl. Paulus mit seinem eigenen Herzblut an die Philipper schreibt: „Viele leben so, dass ich euch oft von ihnen gesagt habe, nun aber sage ich’s auch unter Tränen: sie sind die Feinde des Kreuzes Christi. … Ihre Ehre ist in ihrer Schande.“ (Phil. 3, 18-19)

Auch wenn es uns nicht möglich wäre, das gesellschaftliche Klima zu ändern, können wir dennoch uns davor hüten, mit der Lüge mitzumachen. Unsere Berufung ist es, Wahrheit in der Liebe ruhig reden, Menschen zur Teilnahme an der Gnade Christi bringen, für alle beten und geduldig und ohne Bitterkeit dem uns leisteten Widerstand begegnen.

Mitten in all dem habe ich denselben Wunsch und dasselbe Gebetsanliegen, darüber der hl. Paulus im Gefängnis schrieb: „Wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten.“ (Phil. 1, 12) Herr, wirke, dass alles der Ehre deines Namens dient!

Und der hl. Paulus setzt fort: „Die meisten Brüder in dem Herrn haben durch meine Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind um so kühner geworden, das Wort u reden ohne Scheu.“ Herr, erneuere die Freude, die Liebe und den Mut deiner Diener!

Gemeinsam durch die Corona-Zeiten

Zum Dritten: Wir haben als Kirche die Corona-Zeiten durchgewandert. Wir wurden von der Epidemie überrascht. Unsere Leitschnur in der zu diesem Zweck gegründeten Bereitschaftsgruppe und in den Gemeinden ist es gewesen, verantwortungsvoll, den Behördenanweisungen folgend und unter Rücksicht auf unsere Mitmenschen, aber immer auch die Rechte der Gemeinde mit im Blick zu handeln.

Es ist klar, dass die Arbeit in den Gemeinden darunter auf vielfache Weise gelitten hat. Viele sind die, die uns aus der Sicht verschwunden sind. Die Art und Weise der Kommunion hat Fragen und Reibungen in den Gemeinden entstehen lassen.

Hoffentlich haben wir aus unseren Fehlern lernen und neue produktive Methoden im Dienst des Evangeliums entwickeln können. Kaum hätten wir hier das Zelt von „Studio Krypta“ oder ein Streaming-Team ohne Corona. Nach dem anfänglichen Schock haben wir Messen in unseren Gemeinden ununterbrochen in den Rahmen der behördlichen Begrenzungen gefeiert.

Als die Regierung dabei war, die Shoppingcenter und die Alkoholgeschäfte offen zu halten, aber das im Grundgesetz gewährte Recht zur Religionsausübung zu begrenzen, haben wir eine  Erklärung für die Freiheit der Religionsausübung veröffentlicht. Ohne damit zu prahlen, frage ich, ob man es in irgendeiner anderen Kirche oder religiösen Gemeinschaft es geschafft hat, den Gemeindegliedern die Teilnahme am Evangelium Sonntag nach Sonntag anzubieten, es sei denn, es waren zehn kurze Messen für fünf Gläubige auf einmal!

So wurde um die Kontinuität der Kirche auch in Ausnahmezeiten gekümmert! Daher einen Riesendank an alle, die dafür die Verantwortung getragen haben – an die Küster, an die Kantoren, an die Streamer und an die Gemeindeglieder, und natürlich an die Hirten, die sich eingesetzt haben.

Auch unsere finanzielle Lage ist akzeptabel. Dies zeigt, wie engagiert unsere Gemeindeglieder in Bezug auf die Kontinuität der Gemeindearbeit sind. Sicherlich muss im kommenden Herbst vieles wieder aufgerichtet und neu versammelt werden. Wunderbar ist es aber gewesen, dass trotz Corona Türe für neue Gemeindeglieder, für Ordinationen neuer Hirten und sogar für die Gründung neuer Gemeinden geöffnet worden sind.

Trotz all dieser guten göttlichen Vorsorge und der verantwortungsvollen und fleißigen Arbeit der Gemeinde sagt der hl. Paulus uns dasselbe, was er an die Gemeinde in Philipp schrieb: „Wandelt nur würdig des Evangeliums Christi, damit … ihr in einem Geist steht und einmütig …“ (Phil. 1, 22)

Was bedeutet dies – des Evangeliums würdig und einmütig in einem Geist zu wandeln? Bestimmt wird damit gemeint unser neues Leben den Geboten Gottes gemäß, dazu unsere Taufe uns verpflichtet. Bestimmt enthält es – nach Dietrich Bonhoeffer und daran uns der im letzten Sommer aus diesem zum ewigen Leben berufene Pastor Dr. Anssi Simojoki oft erinnerte – auch die Fähigkeit, zwischen den ersten und den zweitletzten Dingen unterscheiden zu können.

„Die letzten“ sind diejenigen Dinge, die – aufgrund der göttlichen Offenbarung – der Glaubenskontinuität der Kirche bis in die Ewigkeit hin in der Teilhabe am Evangelium dienen. Die vorletzten Dinge begrenzen sich auf diese Zeit und auf die weltliche Gesellschaft und sind uns zum vernünftigen Urteil überlassen. Deshalb lasst uns darauf achten, dass wir im Glauben, d.h. in den letzten Dingen, einig sind, und in den zweitletzten Fragen für unterschiedliche Ansichten und Lösungen Freiraum geben.

Die Krisen verursachen eine Krisenstimmung, darauf jeder auf seine Weise reagiert. Daher kommt es vor, dass einige von uns während der Corona-Zeit sich isolieren und andere wiederum sich freier bewegen. Es ergeben sich auch begründet unterschiedliche Schlussfolgerungen bei unserer Erörterung vieler Fragen.

Man muss in Erinnerung halten, dass die Kontinuität der Kirche unter uns nicht nur vom äußerlichen Druck bedroht wird, sondern diesen Druck verursacht auch unser Fleisch. Deshalb lasst uns in den letzten Dingen einig sein und in der Liebe, im gegenseitigen Respekt und in der Geduld  Platz für unterschiedliche Auffassungen in den vorletzten Fragen geben!

Im Kontinuum des kirchlichen Amtes

Als letztes will ich etwas zur neuen Phase unserer Kirche sagen. Sie beginnt nach der morgigen Bischofskonsekration.

Ich will euch für das mir geschenkte Vertrauen und für die Fürbitten danken. Per E-Mail wurde ich zutreffend angesprochen: „Die Kirche ist schon fast 2000 ohne dich als Bischof klargekommen und wird es bestimmt auch bis zur Wiederkehr unseres Herrn tun.“

Dennoch ist es mein Privileg, die Arbeit meiner Vorgänger fortzusetzen. Während der Zeit in den Jahren 2011-2013 von Matti Väisänen als Bischof der Missionsprovinz von Schweden und Finnland entwickelte sich die Luther-Stiftung schon zum Teil einer neuen kirchlichen Struktur. In der Amtsführung von Bischof Matti verkörperte sich das schnelle Wachstum unseres Gemeindenetzwerkes und das Ordinieren neuer Hirten zu dessen Dienst.

Im Jahr 2013 wurde Bischof Risto Soramies zum ersten Bischof unserer Kirche, die im selben Jahr mit dem Namen „Missionsdiözese“ gegründet wurde, und zum verlässlichen Stützen für unsere jungen Hirten konsekriert. Er hat uns geführt zu einer Kirche, die auf eigenen Füssen steht, und diese Kirche zum Teil einer internationalen lutherischen Gemeindefamilie, wovon unsere ausländischen Gäste hier mit ihrer Anwesenheit ein Zeugnis ablegen.

Bischof Risto legt seinen Hirtenstab in einer Situation ab, wo unsere Gemeinden und ihre Priesterschaft trotz ihrer unterschiedlicher Züge in der Einigkeit des Glaubens, in der Teilnahme am Evangelium und im Kontinuum der Kirche weitergehen. In dieser Sukzession des Bischofsamtes ist es sicher sich auf die Reise zu begeben.

Unsere Kirche ist nach der altkirchlichen und unserer lutherischen Tradition gemäß episkopal organisiert, was auch unser Name „Missionsdiözese“ in Erscheinung bringt. Morgen wir die Bischofsmitra auf mein Haupt gelegt.

Dennoch will ich euch auch ein anderes Bild von unserer Kirche geben als die Mitra, die auch als Symbol der Flamme des Heiligen Geistes gesehen worden ist, oder eben das, was sich unter ihr befindet: Wenn wir jetzt aus der Luft photographiert würden, wäre dieses Zelt nicht wie eine große Mitra, die auf die zum Fest gesammelte Gemeinde abgestiegen ist?

Ich weiß nicht, ob unsere Freunde in der Pfingstkirche dieses liturgischen Verständnis von ihrem Zelt als eine Mitra unterschreiben würden. Wie haben ein Zelt gekriegt, und wir geben eine Mitra zurück!

Aber hier sind die Gemeinden der Missionsdiözese vertreten. Und welche Gaben des Heiligen Geistes finden wir unterhalb dieser großen „Mitra“! Unter dieser größeren Mitra bekomme ich meine eigene kleine Mitra, und das ermutigt mich sehr, mich, einen schwachen Bruder.

Ich will in meinem Amt den Gemeindepastoren unterstützen, die ehrwürdig sich um euch kümmern, und euch alle ermuntern, eure Geistesgaben zu benutzen. Wir haben die gewaltige und herrliche Berufung, zusammen in der Sukzession der Kirche weiterzuwandern und Menschen zur Teilhabe am Evangelium zu bringen!

Lasst uns die Schlussworte des alten Paulus an die Gemeinde in Philipp mit uns nehmen, wenn wir unserer Berufung folgen:

„Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte laßt kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen laßt eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ (Phil. 4, 4-7)